In diesem Jahrtausend war die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen durch deutsche Jugendämter im Jahr 2005 am Niedrigsten.
2005: Inobhutnahmen fast unverändert
https://www.presseportal.de/pm/32102/866816
Nur 25.400 Kinder wurden damals durch Jugendämter in Obhut genommen. Bis zum Jahr 2016 stiegen die Inobhutnahmen jährlich an. 84.200 Kinder wurden dann 2016 durch die Jugendämter in Obhut genommen.
2016: 84 200 Inobhutnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2017/08/PD17_290_225.html
84.200 Inobhutnahmen, das waren noch einmal 8,5 % mehr, als im Vorjahr. Schon bis 2015 waren die Inobhutnahme jährlich gestiegen, und der erneute Anstieg in 2016 wurde dann mit der Flüchtlingskrise 2015 begründet. Es ist schon erstaunlich, dass 2016 die Inobhutnahmen um 8,5 % angestiegen sind, weil 2015 angeblich so viel unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Wenn 2015 viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland kommen, dann könnte dies zwar den Anstieg der Inobhutnahme 2015 begründen, nicht aber den Anstieg 2016. Tatsächlich kamen 2016 deutlich weniger Flüchtlinge nach Deutschland als 2015.
In 2017 und 2018 sollen dann die Zahlen der Inobhutnahmen erstmalig wieder rückläufig gewesen sein.
61 400 Inobhutnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Jahr 2017
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/08/PD18_311_225.html
Anzahl der Inobhutnahmen* Minderjähriger durch Jugendämter in Deutschland von 1995 bis 2018
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12982/umfrage/inobhutnahmen-minderjaehriger-durch-jugendaemter/
2018 sollen es dann noch 52.590 Inobhutnahmen gegeben haben. Auf der Statistik Seite ist zu lesen:
Eine Inobhutnahme ist eine kurzfristige Maßnahme der Jugendämter zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, die sich in einer akuten, sie gefährdenden Situation befinden.
Diese Aussage mehr als bedenklich, denn dadurch stellt sich die Frage, ob die genannten Zahlen überhaupt richtig sein können. Tatsächlich gibt es Inobhutnahmen, die etliche Jahre andauern können. Wenn die genannten Zahlen jedoch sich nur auf eine kurzfristige Maßnahme beziehen, dann müssten die tatsächlichen Zahlen deutlich höher liegen.
Im Januar 2019 gab es einen Beitrag in der Zeitung WELT. Die Überschrift lautete:
Immer mehr Kinder landen in der Obhut des Staates
Diese Überschrift muss natürlich verwundern, wenn doch die offiziellen Zahlen bezüglich der Inobhutnahmen seit zwei Jahren rückläufig waren. Die WELT schreibt in dem Beitrag:
Es ist der drastischste Eingriff des Staates in eine Familie: die Inobhutnahme eines Kindes. Wie lange das geschieht, hängt auch davon ab, in welchem Bundesland das Kind lebt. Die FDP fordert einen einheitlichen Qualitätskodex für Jugendämter.
Nun kennt das Grundgesetz den „Schutz der Familie“ (Art. 6 des GG). Da das Grundgesetz für die ganze Bundesrepublik gilt ist natürlich nicht zu erklären, weshalb die durchschnittliche Dauer einer Inobhutnahme von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein sollte. Dies deutet wohl eher darauf hin, dass sie ihr das Grundgesetz nicht besonders ernst genommen wird. Die WELT schreibt weiter:
Wenn Eltern ihre Kinder misshandeln oder vernachlässigen, wenn es Beziehungsprobleme gibt oder die Eltern wegen Krankheit oder einer psychischen Störung mit der Erziehung überfordert sind, dann treten in Deutschland die Jugendämter auf den Plan. Immer häufiger greifen sie dabei zur Ultima Ratio – und nehmen das Kind vorübergehend aus der Familie heraus. Kontinuierlich sind die Inobhutnahmen in den vergangenen Jahren gestiegen.
Auch dies deutet mal wieder darauf hin, dass die offizielle Statistik bezüglich der Inobhutnahme nicht so ganz stimmen kann. Auch in diesem Beitrag ist wieder von einer vorübergehenden Maßnahme die Rede. Es gibt aber nachweislich zahlreiche Fälle, wo die Inobhutnahmen Jahre dauern. Verwunderlich ist auch das die Zeitung schreibt, die Inobhutnahme seien in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, obwohl laut veröffentlichter Statistik Zahlen der angeblichen Inobhutnahme in den letzten beiden Jahren gesunken sein soll.
Zweifel bestehen auch bezüglich der genannten Gründe für eine Inobhutnahme. Vielleicht hat die Zeitung noch gar nicht mitbekommen, dass es zahlreiche Fälle gibt, wo sowohl die Eltern als auch die Kinder berichten, dass die Inobhutnahmen unbegründet sind und willkürlich erfolgt sein sollen. Zahlreiche Fälle solcher unberechtigten Inobhutnahme haben in der Vergangenheit den Weg in die Presse gefunden. So gibt es mehrere Eltern die nach einer Inobhutnahme nicht nur erfolgreich vor Gericht gegen das Jugendamt geklagt haben, sondern später auch Gutachter und/oder Jugendämter erfolgreich auf Schadensersatz verklagt haben.
Ein großer Teil davon entfällt zwar auf die Gruppe der alleinreisenden minderjährigen Flüchtlingen. Doch selbst wenn man diese Gruppe herausrechnet, stieg die Zahl der Inobhutnahmen zwischen den Jahren 2010 und 2017 von 33.521 auf 38.891 Kinder.
Also auch wenn die offiziellen Zahlen der Inobhutnahme in den Jahren 2017 und 2018 sank, stieg die Zahl von ca. 33.500 auf ca. 38.900 in den Jahren 2010 bis 2017, bei den Kindern die nicht der Gruppe der Flüchtlinge angehören.
Wie lange diese Kinder in Heimen oder Pflegefamilien leben und ob sie überhaupt zu ihren Eltern zurückkehren können, hängt auch von dem Bundesland ab, in dem sie leben. Das ergab die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion, die WELT exklusiv vorliegt.
Hier widerspricht sich die Zeitung schon. War zu Beginn des Beitrags noch von einer „vorübergehenden“ Maßnahme die Rede, so wird hier eingestanden, dass es sich dabei eben nicht immer um eine kurze, bzw. „vorübergehenden“ Maßnahme handelt.
Im Gegenteil. Die WELT berichtet noch:
Im Bundesdurchschnitt konnten 41 Prozent der Kinder und Jugendlichen nach einer vorübergehenden Inobhutnahme wieder zu ihren Erziehungsberechtigten zurückkehren. Diese Quote variiert jedoch erheblich: Während in den Stadtstaaten Hamburg (27 Prozent) und Berlin (30 Prozent) nicht einmal ein Drittel der Kinder innerhalb desselben Jahres wieder in ihre Familie zurückkehren konnte, waren es in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern immerhin 46 Prozent.
Wenn im Bundesdurchschnitt nur 41 % der Kinder und Jugendlichen nach einer „vorübergehenden“ Inobhutnahme wieder zu den Eltern zurückkehren, kann man natürlich nicht davon sprechen, dass eine Inobhutnahme eine „vorübergehende“ Maßnahme wäre.
Auch hinsichtlich der Dauer der Fremdbetreuung würden „erhebliche regionale Unterschiede“ beobachtet, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Die Dauer von Inobhutnahmen ohne die Fälle aufgrund einer unbegleiteten Einreise sei zwischen den Jahren 2010 und 2016 bundesweit von durchschnittlich 24,8 Tagen auf durchschnittlich 35,7 Tage gestiegen. Dabei werde der Durchschnittswert allerdings „stark durch Einzelfälle mit besonders langer Dauer beeinflusst“.
Leider geht die Zeitung auf die regionalen Unterschiede nicht näher ein. Wenn jedoch in den Jahren 2010-2016 die durchschnittliche Dauer von 24,8 Tage auf 35,7 Tage gestiegen ist, bedeutet dies einen Anstieg um fast 50 %.
Zudem hänge die Dauer der Inobhutnahme mit dem Alter der betroffenen Minderjährigen zusammen:
„Je jünger, desto länger dauern im Durchschnitt die Inobhutnahmen.“ Zur Erklärung der gestiegenen Dauer lägen allerdings „keine ausreichenden Forschungserkenntnisse vor“.
Eigentlich sollte man ja denken, dass ältere Minderjährige länger wegbleiben würden, weil die Probleme im Elternhaus durch die Pubertät zunehmen. Tatsächlich jedoch ist es genau umgekehrt, kleine Kinder, die ihre Eltern noch viel dringender brauchen, als pubertierende Jugendliche, werden von den Jugendämtern länger weggenommen, als ältere Jugendliche.
Eltern denen man die Kinder anscheinend bzw. auch offensichtlich willkürlich weggenommen hatte, haben eine Erklärung dafür warum das so ist.
Ältere Jugendliche können sich besser gegen Willkürmaßnahmen von Jugendämtern wehren, und sind gleichzeitig für die Kinder-und Jugendhilfeindustrie weniger wert, weil man diese nicht so lange in Obhut lassen kann, wie kleine Kinder, die sich zudem noch weniger gegen die Maßnahmen von Jugendämtern und der Kinder-und Jugendhilfeindustrie zur Wehr setzen können. Mit kleinen Kindern kann man einfach viel mehr und problemloser Kasse machen.
„In der Kinder- und Jugendhilfe fehlt es an einer übergeordneten Instanz, die Jugendämter berät und ihnen zur Seite steht“, kritisierte der bayerische FDP-Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Daniel Föst. „Jugendämter machen in der Regel einen sehr guten Job, aber die Standards zwischen den einzelnen Bundesländern sind sehr unterschiedlich.“ Zudem gebe es keine flächendeckende wissenschaftliche Erhebung zu Inobhutnahmen in Deutschland.
Es ist wohl als politische Floskel zu bezeichnen, wenn ein Bundestagsabgeordneter meint, Jugendämter würden in der Regel einen sehr guten Job machen, aber gleichzeitig feststellt, dass die Standards zwischen den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Das muss doch wohl als Widerspruch angesehen werden. Wenn die Rückkehr von Kindern zu den Erziehungsberechtigten zwischen 27 % und 46 % liegt, und dies nicht an den Eltern oder den Kindern liegt, sondern daran liegt in welchem Bundesland man lebt, kann man wohl kaum davon ausgehen, dass Jugendämter in der Regel einen sehr guten Job machen würden.
Die FDP fordere deshalb ein „zentrales, unabhängiges Kompetenzzentrum, das Richtlinien definiert und als Kooperationspartner der Jugendämter zur Verfügung steht“. Bund und Länder hätten derzeit kaum Einblick in die Strukturen und Prozesse vor Ort. „Wir brauchen hier dringend mehr Transparenz und einheitliche Berichtswege“, so Föst. „Die Politik darf nicht immer erst dann handeln, wenn erneut ein tragischer Fall öffentlich bekannt wird.“
Erstaunlich, dass ein Politiker zugibt, dass weder Bund noch Länder einen Einblick in die Strukturen und Prozesse bei den Jugendämtern haben, aber dann gleichzeitig die Floskel verbreitet, dass Jugendämtern in der Regel angeblich einen sehr guten Job machen würden. Das passt wohl kaum zusammen.
Die Inobhutnahmen sollen in den Jahren 2017 und 2018 rückläufig gewesen sein. Rechnet man unbegleitete minderjährige Flüchtlinge raus, dann sollen die Inobhutnahmen bei deutschen Kindern in den Jahren 2010 bis 2017 dennoch gestiegen sein.
Für 2018 zeigt die Statistik einen Rückgang auf 52.590 Inobhutnahmen. Die Statistik für Kindeswohlgefährdung zeigt aber ein anderes Bild.
2017 sollen weniger Kindeswohlgefährdungen festgestellt worden sein, obwohl mehr Fälle geprüft wurden.
PresseJugendämter haben 2017 häufiger geprüft, aber weniger Kindeswohlgefährdungen festgestellt
Demnach soll der Rückgang 0,1 % betragen, obwohl es 4,6 % mehr geprüfte Fälle gab.
Pressemitteilung Nr. 344 vom 13. September 2018
WIESBADEN – Die Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2017 rund 143 300 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls (Gefährdungseinschätzungen) durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, entsprach dies einem Anstieg um 4,6 % gegenüber dem Vorjahr. Trotz steigender Zahl der Verfahren wurden 2017 etwas weniger Kindeswohlgefährdungen festgestellt als 2016 (-0,1 %), nämlich gut 45 700 Fälle. …
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/09/PD18_344_225.html
Wenn es 143 300 geprüfte Fälle gab, dann dürfte es auch mindestens so viele Meldungen über angebliche Kindeswohlgefährdungen gegeben haben. Das ist natürlich bedenklich, wenn mehr als 2/3 der gemeldeten Fälle unzutreffend waren.
Am häufigsten machten Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft das Jugendamt auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam, und zwar bei 23,4 % der Verfahren. Bei 13,5 % kamen die Hinweise von Schulen oder Kindertageseinrichtungen, bei 11,2 % waren es Bekannte oder Nachbarn. Gut jeden zehnten Hinweis (10,6 %) erhielten die Jugendämter anonym.
Nicht genannt wurden hier die Jobcenter. Besonders Jobcenter und Polizei sind dafür bekannt, dass sie durch ihr Handeln erst für eine mögliche Kindeswohlgefährdung sorgen. So gibt es z. B. Meldungen, dass Jobcenter erst Leistungen streichen, und dann das Jugendamt informieren, weil durch die Streichung der Leistung nun eine Kindeswohlgefährdung eingetreten sein könnte.
Ähnlich treibt das die Polizei. Es gibt mehrere Meldungen, dass die Polizei bei Hausdurchsuchungen die ganze Wohnung auf den Kopf stellen. Danach wird das von der Polizei angerichtete Chaos fotografiert, und dann die Fotos an das Jugendamt geschickt und eine Kindeswohlgefährdung behauptet. Das ist schon ziemlich pervers.
Völlig anders sieht das für 2018 aus. Während es 2017 noch einen leichten Rückgang von 0,1 % gegeben haben soll, sollen die Zahlen dann 2018 wieder drastisch angestiegen sein.
Pressemitteilung Nr. 337 vom 6. September 2019
Kindeswohlgefährdungen
Im Jahr 2018 haben die Jugendämter in Deutschland bei rund 50.400 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Das waren 10 % oder rund 4.700 Fälle mehr als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, ist dies nicht nur der höchste Anstieg, sondern auch der höchste Stand an Kindeswohlgefährdungen seit Einführung der Statistik im Jahr 2012. Insgesamt prüften die Jugendämter rund 157.300 Verdachtsfälle im Rahmen einer Gefährdungseinschätzung.
Die Meldungen bzw. Verdachtsfälle stiegen von 143.300 auf 157.300. Wieder waren über 2/3 der Fälle unbegründet. Unbegreiflich bleibt aber, warum es nach einem Rückgang von 0,1 % in 2017 im Jahr 2018 einen so deutlichen Anstieg von 10% gab.
Möglicherweise hat das weniger mit den Kindern, Jugendlichen und Eltern zu tun, sondern mehr mit freigewordenen Plätzen in den Kindereinrichtungen.
Die Jugendämter sind verpflichtet, sowohl bei akuten als auch bei latenten Kindeswohlgefährdungen mit Hilfen oder Schutzmaßnahmen zu reagieren: So wurden in 20 % beziehungsweise 10 100 aller 50 400 akuten und latenten Fälle von Kindeswohlgefährdung das Familiengericht eingeschaltet. In 15 % aller Fälle (7 800) wurden die Betroffenen zu ihrem Schutz vorläufig vom Jugendamt in Obhut genommen.
Wie jetzt? Es gab 7.800 Fälle von Inobhutnahmen wegen Kindeswohlgefährdung, warum hat man dann die anderen Kinder in Heime und Pflegefamilien gesteckt?
Zur Erinnerung, 2018 gab es insgesamt 52.590 Inobhutnahmen. Zieht man davon die 7.800 Inobhutnahmen wegen Kindeswohlgefährdung ab, dann bleibt eine ungeklärte Differenz von 44.790 übrig die es zu erklären gäbe.